Tell them your story – effektives Social-Media-Marketing

Können Sie sich an die Figuren erinnern, die Ihnen während der ersten Stunden Ihres Englisch-Unterrichts in der Schule begegnet sind? Ich erinnere mich an Mr. und Mrs Smith, an Lucy und Peter und ihren Hund Cheeky. Das ist jetzt fast dreißig Jahre her und ich sehe die Familie Smith mit ihrem Hund vor mir, als seien sie alte Bekannte.

Was ich zu der Zeit im Mathematik-Unterricht gelernt habe, in Biologie oder Erdkunde, kann ich nicht mehr sagen. Die Smiths aber sind mir geblieben – warum? Das Englisch-Buch hat mir Lektion für Lektion eine kleine Geschichte erzählt, und diese Geschichten haben sich mir eingeprägt.

Das Sprachen-Lernen mit Geschichten hat Tradition. Der rumänisch-französische Dramatiker Eugène Ionescu hat 1948 sogar ein Theaterstück aus den Dialogen entwickelt, mit denen ihm ein Schulbuch die englische Sprache nahe zu bringen versuchte. Das Stück heißt „Die kahle Sängerin“ und legte mit seiner einzigartigen Komik einen wichtigen Grundstein für das moderne Theater.

Geschichten erzeugen Visionen

Heute verschaffen Geschichten nicht nur Schülern einen Zugang zu Fremdsprachen. Das Change Management setzt auf Geschichten, um Führungskräfte wie Mitarbeiter von Unternehmen spielerisch austesten zu lassen, wie sie mit Veränderungen in ihrer Firma umgehen können. Chefs und Angestellte schlüpfen wie Schauspieler in eine Rolle und lernen dadurch andere Perspektiven als ihre eigenen kennen und üben, Konflikte auf konstruktive Weise auszutragen.

Personalabteilungen und Head Hunter haben erkannt, dass sie begehrte Fachkräfte anziehen können, indem sie in Stellenausschreibungen kurze Geschichten erzählen – Geschichten, die im Kopf des Wunschkandidaten Fenster aufmachen und eine Vision davon erzeugen, wie er von der Arbeit bei einem zukünftigen Arbeitgeber profitieren würde.

Auch die Kinder- und Jugendtherapie nutzt Geschichten: Manche Kinder und Teenager, denen mit herkömmlichen Therapiemethoden nicht geholfen werden kann, schaffen es mithilfe von Fantasie-Geschichten, einen Weg ins Leben zu finden. Die jungen Patienten denken sich – unter Anleitung von Therapeuten – Geschichten aus, die ihnen Hoffnung geben. Indem sie sich ausmalen, wie sie gerne leben würden, entwickeln sie wieder Freude und Energie.

Geschichten bringen uns zum Handeln

Worin liegt diese Macht von Geschichten? Sie sprechen uns nicht nur rational, sondern vor allem emotional an. Sie lassen Bilder und Gefühle in uns entstehen, die starke Kräfte freisetzen und uns zum Handeln bewegen können. Wünsche und Träume, die in unserer Fantasie mit einem Mal so lebendig werden, dass wir sie sozusagen mit Händen greifen können, bringen uns dazu, diese Wünsche umzusetzen. Betroffenheit oder Wut, die eine Geschichte in uns auslöst, bringen den Wunsch mit sich, etwas zu tun, um den Stein des Anstoßes aus der Welt zu schaffen.

Außerdem machen Geschichten abstrakte Zusammenhänge konkret. So wie Schüler sich ihre Vokabeln besser merken, wenn sie Teil einer Geschichte sind, können nicht wenige Menschen wissenschaftliche, ökonomische oder politische Fakten erst wirklich (be-)greifen, wenn sie im Rahmen einer Anekdote für sie erlebbar werden – wenn eine Geschichte die Zahlen, Daten, Fakten in die ihnen bekannte Lebenswelt übersetzt.

Für das Marketing im Social-Media-Zeitalter liegt in dieser Tatsache eine große Chance. Der „mündige Kunde“ betrachtet Werbung zunehmend als Belästigung und blendet sie aus. Das heißt, wenn ich mir als Unternehmen oder Freiberufler Gehör verschaffen will, muss ich dem Kunden etwas geben, was er haben will. Das sind keine platten Sprüche oder leere Versprechungen, sondern interessante Inhalte: Informationen, die ihm weiterhelfen, Anregungen, die ihn zum Nachdenken bringen, und natürlich: Geschichten. Die Welt der Social Networks lebt von Geschichten, nicht umsonst lautet der facebook-Slogan für die neue Timeline „Tell them your story“ – erzähle Deine Geschichte.

Und genau das stellt für ein heutiges Unternehmen die Strategie dar, mit der sich ein nachhaltiger Kundenkontakt aufbauen lässt: Ich als Unternehmen erzähle meine Geschichte. Ich zeige mich transparent, ich trete in einen Dialog mit meinem Kunden ein, und zwar in einen Dialog auf Augenhöhe. Ich gebe ihm Hintergrundinformationen, die bisher teilweise als reine Interna galten (z.B. wo und wie lasse ich meine Produkte fertigen, wie sind die Lieferwege etc.) und präsentiere mich dadurch als sozial und ökologisch verantwortlicher Player. Damit schaffe ich ein sympathisches Image, und dieses Image ist mein größter Pluspunkt in Krisenzeiten, denn: Menschen kaufen nicht Produkte, sondern Emotionen. Und diese Emotionen erzeuge ich, indem ich etwas über mich erzähle. Indem ich meinen Wunschkunden anrühre anstatt ihn – einem Marktschreier gleich – anzubrüllen. Das machen schon viel zu viele.

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